Stefan Kirstein, Geschäftsführer des Mainzer Golfclubs
Was hat Golf mit 73 Eistees zu tun? Wie wird man eigentlich Geschäftsführer eines Golfclubs? Und wie verwandelt man eine Mülldeponie in einen der schönsten und anspruchsvollsten Golfplätze im Rhein-Main-Gebiet? Diese und viele andere Fragen hat mir Stefan Kirstein, Geschäftsführer des Mainzer Golfclubs, auf einer gemeinsamen Golfrunde beantwortet.
Stefan, wann hast Du angefangen Golf zu spielen, und wie würdest Du dich selbst als Golfer beschreiben?
Mein Vater war Golftrainer im Golfclub Osnabrück und meine Mutter managte den Pro-Shop des Golfclubs Oldenburg. Für mich bedeutete das: wollte ich meine Eltern sehen, musste ich auf den Golfplatz. Richtig angefangen Golf zu spielen, habe ich im Alter von sieben Jahren. Witzigerweise konnte man damals gar nicht früher anfangen, weil es der Golfclub nicht erlaubt hat. Ich habe auch Tennis und Fußball gespielt, aber die meiste Zeit verbrachte ich auf dem Golfplatz. Das hat man auch gemerkt, als mein Vater in einem Monat mal eine Rechnung über die von mir konsumierten 73 Eistees im Clubhaus bezahlen musste. Im Jahr 2000 sind wir dann in die Region Mainz umgezogen, mein Vater wurde beim DGV [Deutscher Golf Verband] Bundestrainer und ich Mitglied im Golf Club Rheinhessen. Ich hatte tatsächlich auch die Ambition, mit dem Golfspielen Geld zu verdienen, aber das hat sich dann nicht ergeben. Heute bin ich ein Gelegenheitsgolfer und habe viel Spaß daran, mit meinem Sohn zu spielen. Gerne würde ich die Golfregeln dahingehend ändern, dass man – wie beim Tennis – einen Second Serve hat. Vielleicht ist auch deshalb heute meine Lieblingsspielform der Scramble.
Wer ist für Dich der beste Golfer/die beste Golferin aller Zeiten?
Das ist schwierig zu sagen, weil man damit den unterschiedlichen Generationen nicht gerecht wird. Sicherlich hat Tiger Woods unglaubliche sportliche Erfolge erreicht und enorm zur Popularität des Golfsports beigetragen. Aber natürlich gibt es auch Spielerlegenden wie Jack Nicklaus, Arnold Palmer oder Sam Snead, die Großartiges in ihrer jeweiligen Zeit erreicht haben. Man denke nur daran, wie sich das Material, insbesondere bei den Schlägern, weiterentwickelt hat. Zu erwähnen ist auch Bernhard Langer, der vor allem durch enormen Trainingsfleiß und Disziplin bis heute unfassbar gutes Golf spielt. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Frauen, und es ist schön zu sehen, dass auch Damengolf immer mehr an Popularität gewinnt.
Worauf achtest Du besonders bei Deinem Golfoutfit?
Mir ist es wichtig, dass die Bekleidung das Golfspiel so wenig wie möglich einschränkt. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen wollen: die Bekleidung sollte das Spiel unterstützen. Natürlich sollte das Outfit auch vor den äußeren Bedingungen wie Wind und Regen schützen. Zusammengefasst kann man sagen: ein funktionales Outfit ist für mich das wichtigste. Umso besser, wenn es dann auch noch gut aussieht.
Abgesehen vom Mainzer Golfclub – wo spielst Du selbst noch gerne?
Die Mainzer Golfplatzarchitektur ist spektakulär, persönlich mag ich aber auch das Gegenteil sehr gerne. Ich bin ein Fan des amerikanischen Golfplatzdesigns, also eher parkähnliche Anlagen. Zu erwähnen sind hier der Südplatz des Clubs Seddiner See oder die Anlage des Frankfurter Golfclubs. Für einen guten Tag auf einem Golfplatz benötige ich gepflegte Grüns und perfekt geschnittene Fairways. Damit will ich sagen, dass auch die Qualität des Platzes eine große Rolle spielt und nicht nur die Location. Aber natürlich üben große Namen wie Augusta, Pebble Beach, St. Andrews „Old Course“ oder Valderrama einen fast schon mythischen Reiz aus.
Wie wird man Geschäftsführer eines Golfclubs?
Einen Masterplan gab es nicht! Nach meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre, das ich während meiner Zeit als aktiver Golfspieler bereits begonnen hatte, bekam ich die Chance auf ein Praktikum im Mainzer Golfclub. Anschließend wurde ich Clubmanager, und seit 2013 bin ich der Geschäftsführer. Qualifiziert hat mich mit Sicherheit die Kombination aus Betriebswirtschaft und Golfexpertise.
Was sind die besonderen Herausforderungen?
Wichtig ist, dass man gerne mit Menschen zusammenarbeitet und ein Gefühl für die unterschiedlichste Klientel hier im Club entwickelt. Als Geschäftsführer ist man zum einen die Schnittstelle zwischen Mitglied und Club, zum anderen der Leader, der das Team von Mitarbeitenden zu führen hat und natürlich betriebswirtschaftliche Verantwortung trägt. Denn am Ende des Tages muss der Club auch erfolgreich wirtschaften.
Seit wann gibt es den Mainzer Golfclub und wie waren die Anfänge?
Spannend! Den Club gibt es seit 2007. Die Idee, auf einem ehemaligen Steinbruch- und Mülldeponiegelände einen Golfplatz zu errichten, hatte der Budenheimer Architekt Udo Ries. Von Anfang an war es ein spannendes und ambitioniertes Projekt mit vielen Herausforderungen. Es gab ein paar Startschwierigkeiten und sicherlich waren Durchhaltevermögen und Geduld gefragt. Ein Golfplatz ist Natur und benötigt Zeit, denn ein Platz muss einwachsen. Das Naturprodukt Golfplatz wird von Jahr zu Jahr schöner. Anfangs war es ein 9-Loch Platz, denn der heutige Hügel war damals noch Deponie. Mittlerweile ist ein wunderschöner und sehr einzigartiger 18-Loch Platz daraus geworden.
Der Mainzer Golfclub ist eine GmbH & Co. KG und kein eingetragener Verein. Was ist der Grund?
Ich sehe in der heutigen Zeit den Golfsport als Freizeitaktivität. Hier geht es um eine Dienstleistung, die sich gewissen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterwerfen muss, vergleichbar mit anderen Freizeitprodukten. Kontinuität ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, der in einer Gesellschaftsform wie der unseren leichter sicherzustellen ist als in einem Verein. Wir haben innovative Gesellschafter und kurze Entscheidungswege, dadurch können wir relativ schnell auf Marktgegebenheiten reagieren. Das heißt nicht, dass jeder Golfclub eine Gesellschaft sein muss, ganz im Gegenteil. Aber jede Golfanlage muss sich klar positionieren.
Wie groß ist die Anlage, und was bedeutet es, diese Fläche nachhaltig zu bewirtschaften?
Die Anlage umfasst ca. 90 Hektar, das Wassermanagement ist sicherlich eines der Kernthemen für eine nachhaltige Bewirtschaftung. Wir haben auf unserem Gelände viele Grundwasserseen, die als Biotope Verwendung finden. Wir unterliegen strengen Auflagen bezüglich Flora und Fauna, regelmäßig finden Begehungen und Prüfungen statt, um diesen Auflagen in Bezug auf Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
Wie viele Mitarbeitende hat der Club, und wie viele davon sind ausschließlich mit der Pflege und Instandhaltung der Anlage beschäftigt?
Wir beschäftigen insgesamt 30 Mitarbeitende, davon sind sieben Festangestellte ausschließlich für das Greenkeeping verantwortlich.
In Zeiten des Klimawandels gibt es auch kritische Stimmen gegenüber Golfanlagen. Wie begegnest Du der Kritik?
Bei aller berechtigten Kritik muss man dennoch den Nutzen unseres Golfplatzes in den Vordergrund stellen. Es geht um die richtige Balance zwischen Schaffen von mehr Wohnraum und grünen Oasen mit hohem Naherholungswert in einem urbanen Umfeld wie Mainz. Wie bereits erwähnt, wurde unsere Anlage auf einem ehemaligen Steinbruch- und Deponiegelände erschaffen. Viele solcher Anlagen liegen brach und werden nicht genutzt. Wir haben hier ein einzigartiges Naherholungsgebiet geschaffen. Von 90 Hektar werden keine 10% intensiv genutzt, der Rest der Nutzung ist ausschließlich extensiv. Auf unserer Anlage wurde Lebensraum für Bienen geschaffen, die Mauereidechse hat hier ein neues Zuhause gefunden, es gibt Rehe, Füchse und die verschiedensten Vogelarten. Durch die gesamte Anlage führt ein öffentlicher Wanderweg, und mit dem Clubhaus und der dortigen Gastronomie, die auch der Öffentlichkeit zugänglich ist, wurden Orte zum Entspannen geschaffen.
Wie sieht es mit dem Wasserverbrauch aus, der auch oft in der Kritik steht?
Für die Bewässerung der Anlage verwenden wir kein teures Trinkwasser. In den regenreichen Perioden des Jahres wird Oberflächen- und Grundwasser gespeichert, das wir bei Bedarf zur Bewässerung der Anlage wiederverwenden. Wir benutzen Wasser grundsätzlich nur, um die Natur am Leben zu erhalten und um größere Schäden zu vermeiden. Auch das Bewusstsein der Golferinnen und Golfer für dieses Thema hat deutlich zugenommen. So werden in den heißen Sommermonaten auch braune und trockene Fairways akzeptiert und müssen daher nicht verschwenderisch bewässert werden.
Während die Zahl der Golferinnen und Golfer in den Jahren 2012 bis 2019 stagnierte, erlebte der Sport in der Pandemie einen verstärkten Zulauf: Die Zahl stieg in Deutschland signifikant [von 640 Tsd. im Jahr 2019 auf 670 Tsd. im Jahr 2021]. Wie hast Du diese Zeit erlebt, und spiegelt sich diese Entwicklung auch im Mainzer Golfclub wider?
Die Entwicklung im Mainzer Golfclub hat ihre eigene Konjunktur. Seit der Gründung im Jahr 2007 ist die Zahl der Mitglieder stets gestiegen auf aktuell 1.600. Wir hatten somit dauerhaftes Wachstum und keine Stagnation – von einer künstlichen Stagnation einmal abgesehen, als wir während der Pandemie entschieden hatten, temporär keine neuen Mitglieder aufzunehmen. Was wir während der Pandemie gesehen haben, ist ein sprunghafter Anstieg der Summe aller gespielten Runden pro Jahr. Im Jahr 2019 waren es 45.000 Runden und in den Jahren 2020 und 2021 waren es 58.000 Runden. Das ist ein Anstieg von 29%. Die Erklärung dafür ist logisch, denn pandemiebedingt hatten die Mitglieder mehr Zeit für Outdooraktivitäten. Anders als Urlaubsreisen war Golfspielen immer noch möglich, und auch der Trend zum Homeoffice spielte bestimmt eine Rolle.
Dem Golfen hängen immer noch bestimmte Klischees an: ,Golf ist nur ein Sport für Reiche‘, ‚Golf ist eher ein Sport für ältere Leute‘ oder ‚auf dem Golfplatz geht es um Networking, nicht um Sport‘. Was meinst Du dazu?
Golf ist nicht günstig, aber es ist seinen Preis wert. Golf ist eine der wenigen Sportarten, die sich komplett eigenfinanziert. Wenn ich Schwimmen gehe und der Schwimmverein müsste die Schwimmhalle selbst betreiben, wäre der Mitgliedsbeitrag und der Preis für den Eintritt deutlich teurer, das gilt auch für Fußball, Tennis und andere Sportarten.
Zum zweiten Punkt: Ja, viele der Golfspieler sind älter, da sie in der Regel mehr Zeit für diesen Sport haben. Der eigentliche Luxus im Golf ist die Zeit.
Und zum letzten Punkt: Natürlich gibt es auf einer Golfrunde auch Networking, aber ich beobachte auch den Trend, das Smartphones bewusst nicht mit auf die Runde genommen werden, weil man die Stunden dazu nutzt, um abzuschalten. Ich beobachte auch, dass Golfspieler und Golfspielerinnen das Spiel nutzen, um mehr Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen oder einfach die Natur genießen. Ich glaube, Golf bietet viel mehr als Networking, wenn man sich darauf einlässt. Golf entschleunigt.
Lass uns in die Zukunft blicken: Wie wird sich der Golfsport Deiner Meinung nach in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln?
Ich glaube, dass die Golfzielgruppe sich in den kommenden Jahren noch klarer und unterschiedlicher positionieren wird. Es wird immer diejenigen geben, die ihre 18-Loch Runde spielen, weil sie die Zeit haben; es wird die sportlich Ambitionierten geben, für die Turniere und eine Verbesserung des Handicaps im Fokus stehen; dann haben wir diejenigen, bei denen der Spaß die Hauptrolle spielt, gerne auch auf einer 9-Loch Runde oder auf dem Kurzplatz. Der Golfsport wird sich somit einer größeren Zielgruppe öffnen müssen. Wir als Golfclub müssen uns auf diese neue Art der Nachfrage einstellen und auch zukünftig das richtige Angebot in unserem Portfolio haben. Ich freue mich auf das, was kommt.